Freitag, 23. Februar 2018

Die erste Reise II - Erkundertagebuch, 22. Februar 3304

Meine "Nacht" vor dem blendenden Licht des blauen Überriesen Rigel verlief sehr ruhig. Kein Schiff das beim Landeanflug den Schlitz einer Station rammt und mich mit einer dumpfen Welle weckt. Keine Stationsdurchsagen zum Regulieren der Geschwindigkeit, kein lauter Knall wenn die stationseigenen Geschütze einem Eindringling signalisieren, dass sie mit seiner Ankunft nicht zufrieden sind. Ich habe lange nicht so gut geschlafen wie hier, vor den Toren der Zivilisation.

Bei einem Frühstück, zu dem ein Any Na Kaffee und Aepyornis Ei nicht fehlen darf, stöbere ich in der Galaxiekarte auf der Suche nach meinem heutigen Ziel. Die grobe Richtung, weg vom Zentrum in Richtung Affenkopfnebel, steht ja bereits fest. Ich bin überrascht von der Anzahl der Nebel in dieser Region. Von Sol, von der Erde aus betrachtet, befinde ich mich im Sternbild des Orion. Besonders im Winter erhellt Orion den südlichen Nachthimmel der Erde. Schaut vielleicht sogar eine Seele gerade in meine Richtung?

Schwarzes Weltall? Mitnichten!



Ich werfe die Systeme meiner ASP Explorer "Oldenburg" an. Ein wenig hört sie sich an wie ein altertümlicher Hubschrauber. Den Becher von der Hutton Orbital Station noch in der Hand, lasse ich Rigel langsam hinter mir. Sein Licht überblendet nahezu sämtliche andere Objekte in der Nähe. Je weiter ich mich entferne, desto dunkler wird es im Cockpit und endlich erscheinen die Farben der nahen Nebel auf dem Firmament.
Vor dem großen Bernards Loop befinden sich die kleineren Nebel des Orion (M42) sowie des Running Man. Wobei "klein" in den weiten des Alls ein dehnbarer Begriff ist. Diese Nebel möchte ich mir unbedingt aus der Nähe anschauen. Direkt vor mir, von Rigel erleuchtet, befindet sich jedoch zunächst der Hexenkopfnebel. Ich setze einen Kurs genau durch diesen hindurch. Der Frameshift-Antrieb lädt.

Die Sonnen auf meinem Weg scanne ich alle oberflächlich und bestaune ihre Schönheit. Auffällige Planeten sehe ich an diesem Morgen noch nicht. Ich verlasse gerade den Witch-Space und lande an einer weiteren unauffälligen Sonne im System HIP 23759. Als ich im Hologramm vor mir überprüfen will um welchen Sternentyp es sich genau handelt, sehe ich, dass der Stern einer Fraktion zugeordnet ist. Einer Fraktion von Menschen? Hier draußen? Ich bin verwirrt. Noch während dieser Verwirrung sehe ich im Augenwinkel ein helles Licht hinter dem Stern hervorkommen. Das ist doch nicht... Doch, es ist ein Raumschiff im Supercruise. Und direkt noch ein Zweites hinterher. Ich bin nicht alleine hier.
Ich muss mich kurz sammeln. Damit hatte ich nicht gerechnet. Obwohl ich mit circa 1000 Lichtjahren (ly) auch noch gar nicht so weit von den bewohnten System entfernt bin. Der Name der Fraktion - "Xeno Research Group" - verrät mir zumindest etwas über den Anlass dieser menschlichen Präsenz. Es sind Forscher. Forscher die das Fremde untersuchen. Fremdes Leben womöglich.
Ein Blick auf die Systemkarte lässt mich weiter staunen. Es gibt hier doch tatsächlich eine Station. Ich hatte zwar nicht damit gerechnet so schnell wieder auf menschlichen Kontakt zu treffen und bin fast schon enttäuscht, dass ich nicht so alleine bin wie ich dachte, aber diese Station muss ich mir aus der Nähe ansehen. Das Witch Head Science Center.

Anflug auf das Witch Head Science Center der Xeno Research Group.
Die Station liegt im Ring eines interessant aussehenden Gasriesen. Bereits im Anflug wird mir klar, dass es sich um eine Station innerhalb eines Asteroiden handelt. Sie liegt mitten in einem der Planetenringe und ich muss aufpassen, dass mich kein kleiner Gesteinsbrocken erwischt.
Ich weiß nicht wie viele hundert Male ich bereits auf Stationen gelandet bin. Aber heute steuere ich das Schiff, als ob ich ein rohes Ei in einen Postkasten balancieren muss. Ich war nicht darauf eingestellt so schnell wieder zu landen und weiß nicht, ob die Station überhaupt einen Reparatur-Service anbietet.

Das Witch Head Science Center mit Bernards Loop im Hintergrund.

Die Forscher auf der Station wirken wie ein wuseliger Ameisenhaufen. Jeder scheint etwas zu tun zu haben und ganz dringend andere Bereiche der Station aufsuchen zu müssen. Einige schauen aus ihren Unterlagen zu mir auf, beachten mich aber nicht weiter. Ich sehe mir die Verkehrsinformationen an und erkenne, dass immerhin 23 andere Kommandanten in den letzten 24 Stunden hier gewesen sind. Ein außergewöhnlicher Besuch scheine ich also nicht zu sein. Da die Forscher sehr beschäftigt wirken, möchte ich sie nicht weiter stören und schlendere über den Warenmarkt. Aber hier werde ich enttäuscht. Die meisten Stände sind leer. Das Einzige, was man hier in Hülle und Fülle findet, sind Biomüll und Wasserstoff in den verschiedensten Tanks.
Ich versuche einige der Mitarbeiter anzusprechen, an was denn hier geforscht wird. Aber man hüllt sich in Schweigen. Mich zieht es wieder nach draußen ins All. Aber mich beschleicht das Gefühl, dass ich von dieser Institution in der Zukunft noch hören werde.

Bereits nach wenigen Kilometern ist das Witch Head Science Center kaum noch zu erkennen.
Noch vorsichtiger als beim Anflug verlasse ich die Station, werfe noch einen Blick auf den wunderschönen Planeten und tauche durch den Planetenring ab. Unglaublich, dass eine Struktur wie ein Planetenring über Abstände mehrerer "au" zu beobachten ist (die Astronomische Einheit -abgekürzt AE, international au für englisch astronomical unit- ist ein Längenmaß in der Astronomie: Laut Definition misst eine AE exakt 149 597 870 700 Meter. Das ist ungefähr der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne). Dabei ist dieser Ring nur wenige hundert Meter stark. Es dauert nicht lange und der offene Raum liegt wieder vor mir. Auf geht es in Richtung Running Man Nebel.

Auf zu neuen Ufern.
Je näher ich dem Komplex, bestehend aus Orion- und Runnning Man sowie Bernards Loop komme, desto unglaublicher wird die Aussicht. Von der Schwärze des Alls lässt sich in Flugrichtung kaum noch etwas erkennen. Alles ist in surreale Rottöne getaucht.

Anblicke, die mir aus der Blase fremd sind.
Bei meiner Routenplanung auf der Galaxiekarte fällt mir sofort eine hohe Konzentration von Sternen in diesem Gebiet auf. Wie eine lange Straße, die den großen Nebel durchzieht, reiht sich ein Stern an den anderen. Vergeblich versuche ich die Sterne, die auf der Karte so zahlreich erscheinen, mit dem bloßen Auge am Firmament zu entdecken. Ich filtere die unterschiedlichen Spektralklassen der Sterne und erkenne, dass es sich um eine Ansammlung roter Zwerge handelt.

Die "Straße der roten Zwerge" im Orion-Nebel.
Ich muss zugeben, dass ich mich in der Sternenkunde weiter bilden muss. In Ruhe lese ich die verfügbaren Informationen zu dieser Klasse Sterne und erfahre, dass sie tatsächlich sehr leuchtschwach sind. Von der guten alten Erde aus ist zum Beispiel kein roter Zwerg mit bloßem Auge sichtbar. Dies erklärt auch, warum ich diese gewaltige Ansammlung an Sternen nicht direkt sehe. Das omnipräsente rote Licht in diesem Nebel erklärt sich dadurch zumindest teilweise.

Oldenburg und Pferde. Das passt zusammen.
Während all dieser Entdeckungen und meinem eigenen Wissenszuwachs merke ich, wie ich mich frage, warum ich solch eine Erkundungstour nicht schon früher unternommen habe. Ich war bestimmt ein Stück weit geblendet von der Suche nach mehr Credits, besseren (oder eher größeren) Schiffen und Action. Die Faszination der Galaxie ist damit wohl wortwörtlich in den Hintergrund gerückt. Aber auch der Respekt vor der Einsamkeit, vor dem auf-sich-gestellt-sein, wird einen Beitrag dazu geliefert haben. Auf jeden Fall bin ich froh, genau jetzt hier zu sein wo ich bin. Weg von der Zivilisation, weg von der Jagd nach dem nächsten Rang in der Föderation, weg von der Suche nach dem höchsten Profit, weg von dem Handel mit imperialen Sklaven. Diesen armen Seelen, die ihr Schicksal als gegeben hinnehmen.

Das Rot von Bernards Loop mit dem Pferdekopfnebel im Hintergrund.
Während ich über die Dinge des bisherigen Alltags sinniere, erreicht mich völlig überraschend und unerwartet einen Foto-Gruß von meinem Gefährten Kommandant Kornflaker. Er beginnt gerade ebenfalls eine kleine Reise in das Unbekannte. Seine Kamera-Drohne hat von ihm in seinem SRV ein Foto gemacht. Im Hintergrund, in weiter Ferne, ist ein rötlich aussehender Nebel zu erkennen. Ich schaue genau hin und erkenne Bernards Loop. Der Ort an dem ich gerade bin.

Kommandant Kornflaker in seinem SRV. Kommandant Nebukatze in Bernards Loop.
Ich gehe in meine kleine Kantine und bereite mir einen Fujin Tee zu. Gemütlich setze ich mich in meinen Pilotensessel. Die Triebwerke sind aus. Ich genieße die Ruhe und die fantastische Aussicht. Selbige bringt mich auf eine Idee... Ich lasse die Kamera-Drohne vom Schiff abdocken und übernehme die Kontrolle. Langsam und gleichförmig umkreise ich mein Schiff. Eigentlich wollte ich nur die Hülle auf Schäden kontrollieren. Der Rundumblick mit dem galaktischen Band im Rücken und dem Unbekannten voraus, entschließe ich mich, die Aufnahmen der Drohnen zu speichern. Vielleicht kann ich sie einmal meinen Kindern zeigen, wenn ich zurück in den bewohnten Systemen bin.

Kamera-Protokoll.
Ich schaue auf die Uhr. Es ist 22:18 Uhr. Erdzeit. Auch wenn die Zeit hier wenig Bedeutung hat, muss ich mir so langsam etwas Erholung gönnen. Ein Großteil der Strecke liegt noch vor mir. Auch wenn die Eindrücke des heutigen Tages unvergesslich bleiben werden, nehme ich mir für den morgigen Tag vor, etwas schneller voran zu kommen.
Ich lasse den Orion-Nebel hinter mir und springe in ein System des kleinen Flammennebel. Den Pferdekopfnebel direkt voraus, schwenke ich in den Orbit eines einsamen Planeten ein. Hier werde ich die Nacht verbringen. Voller Vorfreude auf den nächsten Tag.

Kommandant Nebukatze meldet sich für heute ab.

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